__________________________
Curriculum
Einstieg
in die Fernsehtechnik
Von
Dipl.-Ing. Johannes Gruß
Die Frage, aus wieviel Pixeln sich ein Bild zusammensetzt,
kann aus heutiger Sicht leicht beantwortet werden, da
CCD-Chips aus einer genau festgelegten Anzahl von
Halbleiterelementen aufgebaut sind. Wie aber sieht es mit
einer vergleichbaren Antwort bei analoger Bildaufzeichnung
aus? Wieviel Zeilen und Pixel hat ein solches Bild denn nun
– ein nicht ganz leicht zu lösendes Problem, dem nachfolgend
etwas auf den Grund gegangen werden soll.
Für die Darstellung bewegter Vorgänge ist eine minimale
Bildfrequenz von 16 Bildern pro Sekunde erforderlich, damit
ein "flüssiger" Bildablauf gewährleistet werden kann. Um das
auch dann noch feststellbare Restflimmern zu beseitigen,
verwendet man in der gewöhnlichen Filmtechnik 24 Bilder pro
Sekunde.
Da Signalfolgen in der Fernsehtechnik synchronisiert werden
müssen, nutzte man seit den Anfängen die Netzfrequenz –
quarzstabilisierte Frequenzen gibt es heute, damals aber
nicht. Diese Netzfrequenz beträgt in Europa 50 [Hz] und
daraus leitete man die in der Fernsehtechnik übliche
Bildfrequenz von 25 [Bildern / s] ab (in den USA: 60 [Hz]
bzw. 30 [Bilder / s]).
Bauartbedingt ergibt sich bei Verwendung Braunscher Röhren
zur Bilddarstellung ein Effekt, der auch bei dieser
Bildfrequenz noch zu einem äußerst störenden Flimmern führt.
Mit einem Trick kann dies aber unterdrückt werden: man
überträgt sogenannte Halbbilder.
- Das 1. Halbbild stellt nur die 1., 3., 5., ... Zeile dar
und
- das 2. Halbbild die 2., 4., 6., ... Zeile.
Dies führt auf eine sogenannte vertikale Abtastfrequenz:
fv
= 50 [Halbbilder / s] (Europa)
Seit 1952 ist die Bildübertragung in Mitteleuropa nach der
CCIR-Norm B/G auf 625 [Zeilen / Bild] festgelegt – sichtbar
sind allerdings nur 575 [Zeilen / Bild]. Bei einem optisch
ansprechenden Seitenverhältnis der Bilder von 4:3 müssen in
einem Videobild somit 625*625/0,75 also rund 500.000
Bildpunkte (Pixel) dargestellt werden. Bezogen auf die
sichtbaren 575 [Zeilen / Bild] ergibt sich dann theoretisch:
575
[Zeilen / Bild] * 4/3 = 767 [Punkte / Zeile]
Bei analogem Fernsehen sind die Helligkeitswerte des Bildes
in elektrische Signale mit einer zu bestimmenden Frequenz
umzuwandeln. Für Zeilenfrequenz und Zeilendauer
gelten:
fH;
theoretisch = 25 [Bilder / s] * 625 [Zeilen
/ Bild] = 15625 [Zeilen / s] = 15,625 [kHz]
TH;
theoretisch = 1 / fH
= 0,064 [s / Zeile]
Berücksichtigt man noch die Zeit für den Zeilenrücklauf mit
rund 20%, dann verbleiben für den sichtbaren Bildteil:
TH;
sichtbar = 0,052 [s / Zeile]
Für die Abbildung eines schwarz / weissen Doppelpunktes wird
die Zeit 2*TP benötigt
(wobei TP die Abtastzeit
für einen der beiden Punkte ist); man erhält die
theoretische Videobandbreite fVB;
theoretisch :
TP
= TH; sichtbar [s / Zeile]
/ 767 [Punkte / Zeile] = 0,052 / 767 = 68 [ns / Punkt]
fP
= 1 / (2*Tp) = 1 / (2*68) =
7,4 Mhz = fVB; theoretisch
Nach CCIR wurden tatsächlich aber nur deutlich geringere
Videobandbreiten festgesetzt:
Europa:
625
[Zeilen / Bild], 50 [Halbbilder / s]
fVB; CCIR-B/G = 5 [Mhz]
TP; CCIR-B/G = 100 [ns]
520
[Punkte / Zeile]
Die bisherigen Ausführungen galten für Schwarz /
Weiß-Systeme. Für einen Übergang auf Farbübertragung müsste
man für die drei Grundfarben rot, grün und blau die
dreifache Videobandbreite – also 15 Mhz – ansetzen, dies
dann allerdings unter Verzicht auf ein alleine darstellbares
Schwarz / Weiß-Bild. Da dieses Verfahren damit in der Praxis
ausscheidet, hat man sich ein anderes – schwarz /
weiß-kompatibles – Vorgehen überlegt.
Die entstehenden Bild-, Austast- und Synchronsignale werden
in einem Signal, dem BAS-Signal zusammengefaßt, bei
Farbsignalen entsteht das FBAS-Signal. Da beim Empfang
dieses Signals eine Zerlegung in die einzelnen
Signalkomponenten erfolgen muß, geht damit ein deutlicher
Qualitätsverlust einher. Dies ist um so bedeutsamer, als die
Farbinformationen zusätzlich im (F)BAS-Signal verschachtelt
sind.
Bei der Verarbeitung von Farbsignalen entstehen die vier
Signalkomponenten ER, EG, EB
und Eγ. Dabei stellen ER, EG
und EB die Sättigung der
Farben Rot, Grün und Blau dar, während Eγ
den Grauwert γ (Gamma) darstellt, der bei Schwarz /
Weiss-Bildern alleine das Bild liefert. Die
Signalkomponenten werden vor der Übertragung oder
Aufzeichnung ineinander verschachtelt, man erhält dabei das
Chrominanzsignal C bestehend aus ER
- Eγ und EB
– Eγ; ER - Eγ
kann aus den vorgenannten Signalkomponenten zurückberechnet
werden.
γ
= γ{ Eγ }
C
= C{ ER - Eγ
; EB - Eγ }
Das Chrominanzsignal wird im Helligkeitssignal
verschachtelt, womit man sich aber einen unschönen Mangel in
der Wiedergabe einhandelt, der aus einer fehlerbehafteten
Signaltrennung resultieren kann. Sichtbar wird dieser Mangel
z.B. an feinen Karomustern in Form von Moirées.
C
:= C + γ
Dieser unschöne "Trick" wird z.B. bei S-VHS vermieden, denn
dort werden C und γ getrennt aufgezeichnet! Das vulgo als
"Super"-VHS bezeichnete Aufzeichnungssystem heisst
tatsächlich aber "Separated"-VHS; aus genau diesem
Grund.
Studiokameras arbeiteten früher mit vier Röhren für die
getrennte Aufzeichnung von γ + RGB. Heute verwendet man
dagegen drei Halbleiter-Sensoren, sog. CCDs (charged coupled
devices), wobei lediglich γ + RB aufgezeichnet und das
Grünsignal wiederum abgeleitet wird.
Die heutigen 3CCD-Kameras verfügen über eine Auflösung von
mindestens 300.000 Pixeln. Für die spätere Verwendung
unterscheiden sie sich dabei weniger in der Bauart als
vielmehr im Bestehen diverser Qualitätstests, die auf die
drei Qualitätsstufen Broadcast (ca. 600-700 Linien),
Industry (ca. 400-600 Linien) und Custom (ca.
300-500 Linien) führen. Damit finden sich in den
unterschiedlichen Kameras im professionellen und privaten
Bereich häufig baugleiche Bildwandler, die nur
unterschiedliche Qualitätstests bestanden haben.
Für das Einsatzspektrum der Straßenvideosysteme bildet der
Industry-Standard das beste Kosten- / Nutzenverhältnis.
Obwohl Broadcast aus rein meßtechnischer Sicht sicher besser
geeignet wäre, ist kein Kunde bereit, einen Kostensprung von
Industry zu Broadcast von bis zu 1:10 zu finanzieren.
Dagegen fallen selbst Laien häufig die Qualitätsunterschiede
zwischen Custom- und Industry-Geräten sofort auf.
Durch die Bildverschachtelung von zwei Halbbildern pro
Sekunde tritt bei schnellen Bewegungsabläufen des
aufzuzeichnenden Objektes oder der Kamera die
Bewegungsunschärfe auf, die zu einem verwaschenen und
geometrisch verzerrten Bild führt: während die Kamera
aufzeichnet, bewegen sich Kamera oder aufzunehmendes Objekt
weiter. Ist die Bewegung relativ gesehen deutlich größer als
die Aufzeichnungsgeschwindigkeit, so werden üblicherweise
High-Speed-Shutter eingesetzt und entschärfen das Problem
der Bewegungsunschärfe deutlich. Diese Shutter arbeiten wie
die Blende eines Fotoapparates der z.B. mit einer 1/1000 [s]
arbeitet. Die Videokamera zeichnet das Bild also nicht wie
normal innerhalb einer 1/50 [s] auf, sondern mit einer
einstellbaren 'Belichtungszeit' von bis zu 1:10000 [s].
Diese Momentaufnahme wird dann als gewöhnliches
1/50-Sekunde-Bild weiter übertragen. Bewegungen werden damit
quasi 'eingefroren'. Sehr gut kann man sich dies an einer
sich drehenden Autofelge vorstellen: Bei normaler Aufnahme
mit 1/50 [s] sieht man nur einen verwaschenen Schleier vor
dem Bild; wird aber ein Shutter eingesetzt, so sieht man die
Felge zwar im Detail, die erzeugte Bildfolge ruckelt – in
Abhängigkeit von der gewählten Shutter-Geschwindigkeit –
aber leicht.
Zum Schluss noch ein Blick auf die effektive Bildauflösung
unterschiedlicher Videoaufzeichnungsverfahren:
Medium
|
Einsatz
|
Verfahren
|
Auflösung
[Linien]
|
analoges Fernsehen
|
---
|
---
|
ca. 340
|
VHS
|
home
|
Band / analog
|
250
|
S-VHS
|
semiprofessionell
|
Band / analog
|
400
|
Video-8
|
home
|
Band / analog
|
260
|
Hi-8
|
home
|
Band / analog
|
430
|
Umatic LB
|
semiprofessionell
|
Band / analog
|
250
|
Umatic HB
|
semiprofessionell
|
Band / analog
|
260
|
Umatic SP
|
semiprofessionell
|
Band / analog
|
300
|
Betacam
|
professionell
|
Band / analog
|
600
|
Sony D2
|
professionell
|
Band / digital
|
600
|
VCD
|
home
|
CD / digital
|
200
|
SVCD
|
home
|
CD / digital
|
330
|
Digital8 / DV
|
semiprofessionell
|
Band / digital
|
500
|
DVD
|
professionell
|
DVD / digital
|
550
|
Ergänzend sei nachfolgend der Begriff Linien erläutert (nach: [DBS]: Für unsere visuelle
Wahrnehmung ist ein einzelnes Pixel wenig relevant.
Die TV-Auflösung misst man daher traditionell
anders. Die höchste Anforderung an die horizontale Auflösung einer
CCIR-Kamera stellt ein Muster von 383,5 vertikalen schwarzen und
weissen Linienpaaren
dar, da dann zwei benachbarte Pixel einer
Zeile jeweils die niedrigsten und höchsten Grauwerte
darstellen müssen. Obwohl es sich eigentlich um ein
Rechtecksignal handelt, ist es für das menschliche
visuelle System kein Problem, die Grauwertsprünge zu
glätten und somit von einem Sinussignal mit der
Frequenz 7,375 Mhz (383,5 Perioden pro 52 ms)
auszugehen. Also müsste die Bandbreite jeder
Videokomponente 7,375 Mhz betragen. Allerdings
erlauben die Videostandards niedrigere Bandbreiten
und damit niedrigere horizontale Auflösungen. Somit
ist die Anzahl der vertikalen
Linien, die eine Kamera
erfassen bzw. ein Monitor darstellen kann, ein
Qualitätsmaß. Dieser Parameter ist als TV Linien oder einfach Linien bekannt, zählt aber
die einzelnen schwarzen oder weissen Linien (anstatt
der Linienpaare). Einfache Überwachungssysteme
arbeiten mit 300 Linien. Hochauflösende Systeme
bieten 550 Linien oder mehr.
|
Referenzen
|
|
Krisch, Lothar:
Fernsehtechnik – Grundlagen, Verfahren, Systeme;
Vieweg-Verlag; Braunschweig, Wiesbaden; 1993; ISBN
3-528-04920-0.
|
|
Ein Handbuch zur
digitalen Bildverarbeitung; Hrsg.: Adobe Dynamic
Media Group; Juni 2000; veröffentlicht als
PDF-Datei.
|
|
Zota, Volker:
Videowaschanlage; in: C'T – Magazin für
Computertechnik; Heise Verlag; Hannover, Heft
2002/14, S. 126 ff.
|
|
Gull, Daniel:
Einsatz von Video in Softwareentwicklungsprojekten –
Video-Formate; TUM - Lehrstuhl für Angewandte
Softwaretechnik; Stand: 05.06.2000; veröffentlicht
als PDF-Datei.
|
|
Mixdorff, H.;
Habel,F.; Teppner, U.: Digitale Videotechnik; TFH
Berlin; Vorlesung WS 2001/2002; veröffentlicht als
PDF-Datei.
|
|
U-matic PALsite; http://umatic.palsite.com/vo9600spec.shtml;
Stand: 03.07.2002.
|
|
Kameras; in: Digitale Bildverarbeitung;
Produktkatalog der DBS GmbH, Produkte und Systeme
für die Bildverarbeitung, Kohlhökerstraße 61, D-28203 Bremen (das
Unternehmen besteht jetzt unter anderem Namen,
siehe Internetauftritt), http://www.theimagingsource.com/de_DE/;
September 1997, S. 49.
|
_______________________________________________________________________
Copyright
© 2004 – 2018 Dipl.-Ing. Johannes Gruß,
Gerolstein
Alle Rechte vorbehalten
Irrtum und Änderungen vorbehalten
webmaster@jgic.de
|
|
|